Das Meer ist stürmisch. Hohe Wellen schlagen an den Strand, der Wind peitscht mir ins Gesicht. Neben mir steigt eine Drohne in die Luft – Sie gehört den Jungs von CaminanTr3s, zwei Videobloggern aus Bogotá, und heute erkunden wir gemeinsam den Dschungel der kolumbianischen Karibik. Der Strand ist nur ein kleiner Appetithappen. Ein kurzer Ausblick auf das, was wir heute erleben werden.

Wir steigen wieder ins Auto. Mit GoColombia, dem Reiseorganisator, fahren wir über saftige Hügel und Felder, vorbei an Bananenfarmen bis an ein Tor mit der Aufschrift “Taironaka – Turismo Ecológico”. Wir lassen das Auto stehen und steigen in ein kleines Boot um. Gemächlich fahren wir den Rio Don Diego flussaufwärts. Der Fluss entspringt in den Bergen der nahegelegenen Sierra Nevada – Das Wasser ist kristallklar. Der Wald wird dichter. Tiefer und tiefer fahren wir in den Dschungel.

Die Taironaka Ecolodge befindet sich auf einem ehemaligen Siedlungsgelände der Tairona-Ureinwohner, die selbst 70 Jahre gegen die spanischen Invasoren gekämpft haben, bis sie vor 400 Jahren von der Kolonialmacht beinahe ausgerottet wurden. Hier lebt ihre Tradition weiter: Auf runden Steinterrassen stehen Hütten aus Palmenblättern, die Nachfahren der Tairona kleiden sich weiter in die traditionellen weißen Tunikas. Im Tairona-Museum finden sich Artefakte der alten Kultur: Speerspitzen, Schmuck, Götterstatuen. Die Ureinwohner waren vor allem als Jäger und Seefahrer bekannt. Von dort aus geht es weiter in dieTairona-Haupthütte: Der Tradition folgend, treten die Männer durchs Sonnentor und die Frauen durchs Mondtor ein. Das Haus ist ein Ort der Zusammenkunft, die Feuerstelle in der Mitte ist ihr Herz.


Mittagessen: Gedankenversunken lauschen wir der Natur um uns herum. Niemand starrt auf sein Smartphone – Hier gibt es weder Handynetz noch Internet. Den Strom fürs Allernötigste gewinnt die Taironaka Ecolodge aus Solarenergie. Dennoch ist die Luft geladen: Von allen Seiten erklingt vielstimmiges Vogelgezwitscher, der Urwald um uns ist erfüllt mit Leben. Ein Pfau ruft uns von einem Baum aus zu, über unseren Köpfen hangeln sich Affen durch die Bäume.
Gestärkt machen wir uns auf zur letzten Etappe. Die Jungs von Bello Tours nehmen uns mit auf eine Flussfahrt der besonderen Art: Auf Reifen lassen wir uns den Rio Don Diego entlang treiben. Links und rechts von uns sehen wir dichte Baumfronten. Affen faulenzen in den Baumkronen, schwarze Uchuru-Vögel gönnen sich ein Bad im Fluss.

Nach einiger Zeit wird der Flusslauf breiter. Zum hohen Vogelgesang gesellt sich ein anderes, tieferes Geräusch. Stetig, wie ein sich ständig wiederholender Windstoß, schwillt es langsam an. Als wir die Geräuschquelle finden, können wir unseren Augen kaum glauben: Vor uns eröffnet sich das Meer, der Rio Don Diego vermischt sich mit dem Atlantik.

Das Boot legt an, wir holen die Reifen aus dem Wasser. Der Kreis schließt sich: Wieder stehe ich am Meer. Mit den Füßen im Sand betrachte ich das unglaubliche Panorama: Links von mir schlängelt sich der Fluss zurück in den den dichten Urwald, rechts brausen die Wellen des Atlantik an den weißen Strand. Die Abendsonne taucht die ganze Szene in einen surrealen Goldton. Wahrscheinlich standen hier schon vor mehreren hundert Jahren die Tairona und huldigten ihrer wunderhaften Heimat. Auf der Schwelle zwischen zwei Welten blicke ich auf das Erbe der Ureinwohner. Einen kurzen Augenblick lang fühle ich Unendlichkeit.
Autor: Max Schneider
